Sich zu dem Artikel von Herrn Dietrich Fragen zu stellen ist sicherlich legitim. Das Peter es ist, der sie hier stellt sollte kein Grund sein, diese Fragen zu belächeln oder ab zu tun, selbst wenn man sich Peters Praktiken und Forderungen z.B. in Bezug auf die Fütterung nicht anschließen möchte. Für mich ist schon die Überschrift des Artikels ein Grund zum nachdenken - sollte es nicht besser heißen "Das Tierschutzgesetz-aus der Sicht eines Kaninchenzüchters"? Tierschutz ist ein unheimlich weiter Begriff und viele selbsternannte Tierschützer verstehen darunter sicherlich etwas anderes als der Gesetzgeber, oder der Rassekaninchenzüchter. Hier geht es aber primär um eine Auslegung des Tierschutzgesetzes für die Rassekaninchenzucht...einzelne Formulierungen daraus werden im Artikel ja reichlich zitiert.
Sowohl Haltungsform als auch Fütterung arten als Thema immer schnell in Glaubenskriege aus. Ich finde, das muss nicht sein. Sowohl die Haltung in ausreichend großen Boxen als auch die Haltung in durchdachten Gruppenausläufen sind mit dem Tierschutzgesetz in Einklang zu bringen. Auch die Gabe von Sackfutter ist im Sinn des Gesetzes nicht verwerflich - würde man das ernsthaft diskutieren wollen müsste man auch alle anderen Tierarten, einschließlich Hunden und Katzen, auf den Prüfstand stellen. Wohl findet sich aber überall, zum Beispiel beim TVT der Hinweis auf etliche sinnvolle frische Ergänzungen. Ein Pro und ein Contra findet sich immer. Ein wenig mehr "leben und leben lassen" würde diesen Diskussionen - und auch dem Artikel von Herrn Dietrich gut tun. Ich hätte mir von einem solchen Artikel unterm Strich einfach mehr wertungsfreie Beschreibung aller Möglichkeiten erwartet und weniger dogmatische Eingrenzung Pro Box und Pro Fertigfutter. Es ist ja ok zu sagen, Einzelhaltung ist in Ordnung und Fertigfutter ist in Ordnung, die Alternativen muss man aber nicht so hart wegschieben wie Arno Dietrich es tut.
Was unter dem Punkt Nestselektion (auch wenn es so selbstverständlich nicht explizit genannt wurde) zusammengefasst wurde, lies mir indes die Haare zu Berge stehen. Ähnlich erging es mir schon bei der letzten KV-Schulung, wo das Thema mit einem ähnlichen Tenor angeschnitten wurde. Selbstverständlich hat man tote, schwer missgebildete und nicht lebensfähige Jungtiere aus dem Nest zu entfernen und zu erlösen bevor sie sich zu Tode quälen. Diese notwendige Nesthygiene (wer möchte schon verwesende Kadaver im Nest) aber im selben Atemzug mit der Reduzierung der Jungtiere entsprechend der Zitzenzahl zu nennen finde ich persönlich total daneben und völlig überholt.
Jungtiere zu töten - und etwas anderes kann wohl kaum mit "verantwortungsvoll eingreifen" gemeint sein, wenn man nicht gleichzeitig Ammen- und Handaufzucht anspricht, ist für mich töten ohne Grund und damit nicht Gesetzeskonform. Weil ein Tier vielleicht zu schwach ist? Weil es wahrscheinlich verhungert? Das können keine Gründe sein wenn man nicht alles unternommen hat um dieses "wahrscheinlich" zu verhindern. Und wenn die "züchterische Erfahrung" einem sagt, dass sie es nicht schaffen, sollte man zumindest versucht haben, seinen Erfahrungsschatz zu erweitern. Eine Häsin kann mehr Junge aufziehen als sie Zitzen hat. Und manche können es besser als andere. Jungtiere verhungern auch nicht gleich wenn sie nur jedes zweite Mal an eine Zitze kommen. Reduziert man die Jungen auf die Zahl der Zitzen tut man sich doch auch als Züchter keinen Gefallen! Wie soll man denn die echten Leistungshäsinnen finden, die auch große Würfe aufziehen wenn nicht durch Beobachtung ob sie es schaffen? Diese Selektionsform selektiert auch Leistung aus. Und schafft eine Häsin es nicht, dann sollte man die Möglichkeit haben, ein paar Junge dort unterzuschieben, wo der Wurf klein war.
Eine Spalte weiter vorne versichert Herr Dietrich, Schecken ohne passende Zeichnung würden nicht vorzeitig getötet. Aber wo nun ist die Grenze? Dürfen nur die Züchter einfarbiger Rassen die Schwachen im Wurf merzen? Bei jeder Zeichungsrasse stünde man doch sofort im Verdacht (und in der Versuchung?) nicht nach Kraft, sondern auch nach Zeichnung zu gehen. Wie man es dreht und wendet...was da so zwischen den Zeilen steht ist in meinen Augen einfach nicht richtig, auch wenn manche das vielleicht anders sehen.
Ein Satz ging mir lange durch den Kopf "Was ist tierschutzgerechter? Hier helfend einzugreifen, oder den Wurf seinem Schicksal zu überlassen und all die Gefahren in Kauf zu nehmen, die verletzte oder tote Tiere nun einmal im Nest verursachen?" Fast die selbe Formulierung fiel auf dieser Schulung. Was um Himmels willen ist da los? Macht denn niemand mehr eine Nestkontrolle? Reduziert man gleich bei der Geburt um dann bloß nicht mehr gucken zu müssen? Verletzte und tote Tiere können immer mal auftreten während der Aufzucht und sie liegen zu lassen ist immer ein Problem. Was hat dies nur mit der Jungenzahl zu tun? Auf Nachfrage bekommt man Antworten wie "ich habe Häsinnen, die den Wurf verstoßen wenn ich das Nest kontrolliere". Wie schlecht muss da der Bezug zum Tier sein? Und wenn es so ist, ist es nicht eher ein Grund die Häsin zu selektieren als die Jungen? Es will mir einfach nicht in den Kopf wie man diese beiden Themen so hartnäckig zusammenwerfen kann....es sei denn man sucht eine Entschuldigung für seine Nestselektionspraxis.
Die Frage nach dem DW Faktor kann man sich eigentlich sparen wenn man die Ausführungen zur Mendelregel gelesen hat..."Diese geht immer nur dann auf, wenn ein Wurf zahlenmäßig so groß ist, dass man die Anteile 50% Typschecken, 25% schwarze (einfarbige) Tiere und 25% Weißlinge als ganze Tiere einordnen kann". Also finden sich in jedem 12er Wurf 6 Typen, 3 einfarbige und 3 Weißlinge weil man es nach ganzen Tieren einordnen kann? Nach all den Genetik Artikeln die in der Kaninchenzeitung veröffentlich wurden, ist es mir schleierhaft wie dieser Absatz den Weg in den Druck gefunden hat. Dass man alle potentiellen Nachkommen einer Verpaarung betrachten müsste oder auch gleich die ganze Population und nicht nur einen Wurf, egal wie groß, sollte doch eigentlich bekannt sein.
Der Grundgedanke des Artikels ist nicht verkehrt...in der Ausführung aber hätte man vieles anders schreiben sollen um der Überschrift halbwegs gerecht zu werden und nicht wie eine Verteidigungsschrift angestaubter Züchterpraxis zu klingen.