Was man vor Beginn einer Inzuchtlinie beachten muss
Die Verwandtschaftszucht ist nur eine gute Zuchtbasis, wenn sie mit Sachverstand und geplant durchgeführt wird. Mit wahllos zusammengewürfelten Ausgangstieren und unkontrollierte Zuchtanfängen, bei denen ohnehin der Überblick verloren geht, sind keine Basis für eine Linienzucht. Wird sie dann noch über mehrere Generationen hinaus mit wenig erforderlichen Mühen, ohne züchterische Beobachtung und Auslese praktiziert, ist eine Inzuchtdepression mit der Schwächung der Konstitution, der Lebenskraft und/oder der Fruchtbarkeit naheliegend.
Worauf muss ein Züchter achten?
So widersprüchlich es klingen mag: Für den Aufbau einer Linienzucht gibt es folgendes züchterisches Grundprinzip bei der Auswahl von Zuchttieren:
Größe und Form gehen vor Farbe und Zeichnung jeder Rasse.
Ein wirklich schönes Tier bedarf zuerst der typischen, harmonischen Größe und Form. Selbst die schönste Farbe und Zeichnung nützen nichts, wenn die Ausgangstiere nicht dem rassespezifischen Typ entsprechen. Es sei nicht vergessen, dass das, was wir unter Form verstehen, auf der eigentlich ererbten Konstitution beruht und die Schwächen und Mängel in diesem Bereich auf der Bewertungskarte in Pos. 2 erhebliche Punktabzüge bis "nb" einbringen können. Diese Fehler sind zudem hartnäckig.
(Konstitution = [med.] Körperbau, auch ererbte körperliche Verfassung)
Die Erbanlagen für den Körperbau
Die Erbanlagen für den Körperbau und damit die Ursache für die Form des gesamten Körpers unterliegen festen Gesetzen. Somit sind auch viele Erbfaktoren an der konstitutionellen Vererbung beiteiligt, die den Körper der Tiere formen. Im weniger gutverständlichen Deutsch wird dies als polyfaktorielle Vererbung bezeichnet. Diese vielen Faktoren sind in der Lage, sich "die Form bildend" zu summieren. (poly [griech.] = viel, mehr)
Daraus darf abgeleitet werden, dass grundsätzlich alle körperlichen Merkmale polyfaktorielle beeinflusst werden, was einfacher gesagt heißt: Skelettfehler und z. B. Anomalien, wie von Chris geschildert, lange latent (verborgen) in einem Stamm mitgeführt werden, ohne dass sie in Erscheinung treten. Deshalb sind diese Fehler eben so hartnäckig. Erst wenn genügend Faktoren zusammentreffen, um das Merkmal zu formen, findet Chris in seiner Nachzucht solche Aufbeißer etc. Das muss keine Zeitfrage sein!!! Es ist eine Frage der unkontrollierten Zucht, aus der die Tiere stammen.
Dass Zuchttiere frei von X- oder O-Beinen und Kuhhessigkeit sind, sie weder einen Karpfen- noch Steilrücken und sonstige allgemeine und vererbbare Skelettfehler aufweisen, versteht sich von selbst. Auch diese Fehler gehören in die beschriebene Rubrik.
Was noch sehr wichtig ist, viele Merkmale werden gengekoppelt vererbt. Das bedeutet, dass auf einem Genort Faktoren liegen, die gleichzeitig mehrere Merkmale beeinflussen.
Kopplungs-Beispiel sind u. a.:
- Das schwache Ohrengewebe tritt meistens auch bei Tieren auf, deren Körperbau/-form den Schwächling erkennen lässt,
- wenig behaarte Ohren verraten, auch die Unterwolle ist nicht so wünschenswert,
- eine helle Iris geht nicht selten mit einer hellen Unterfarbe einher, besonders bei havannafarbigen Tieren gut zu beobachten.
Beim Kauf von Zuchttieren allgemein und für einen Linienaufbau ganz besonders, ist schon der rassetypische Rahmen sehr wichtig. Danach kommen die Rassemerkmale wie Zeichnung, Silberung etc. sowie die Haarstruktur, denn wo eine Glatze ist, wachsen auch keine Haare nach. Das heißt, ein weiches, flatteriges oder dünnes Haar wird durch Fütterung nicht besser, weil die Struktur eine Veranlagung ist.
Eine Ausnahme können u. U. Jungtiere in Sommerschauen bilden. Wer dort kaufen möchte, sollte ein geübtes Auge haben, um die Anlagen der Behaarung zu erkennen.
Wer soll der oder die Bessere sein?
Wenn normaler Weise wir Frauen auch die Schönheit verkörpern , so muss bei der Zuchttierauswahl ausnahmsweise mal das männliche Geschlecht alle Vorzüge eines Stammvaters aufweisen. Mit sehr strengen Blick achten wir also aufs starke Geschlecht.
Von ihm erwarten wir nur das Beste.
Nee, ernsthaft: Gerade der Rammler sei in allen Teilen hervorragend, denn er beeinflusst die Entwicklung der Zucht weit stärker als die Häsin. Als Deckrammler gibt er seine Erbanlagen über viele Häsinnen an eine sehr breite Nachzucht weiter, daher sollten die Anforderungen an Typ, Farbe, besondere Rassemerkmale und Zeichnung bei Rammlern weit höher gestellt sein.
Wesentlich ist bei allen Zuchttieren bereits während der Betrachtung der Geschlechtscharakter. Bei Rammlern sollten deshalb der Kopf entsprechend kräftig, die Stirn und Schnauze breit sein, wobei die breiten Backen den Rammlerkopf betonen.
Häsinnen sind feiner, der Kopf einer Häsin ist schnittig, was heißen soll, er ist nicht so robust, aber mit einer breiten Stirn- und Schnauzpartie versehen und lässt noch eine gewisse Kegelform (Ausnahme ggf. bei Widdern und Zwergen) erkennen. Auch die Brust und Hinterpartie - letztere erstrecht bei Häsinnen - sind bei beiden Geschlechtern breit.
Man züchtet also nur mit gesunden Tieren. Zu erkennen sind solche Tiere an ihrem Temperament, an ihrer Neugier, an ihren klaren Augen, an Reaktionen. Nur gesunde Tiere sind wirklich schön und leistungsfähig. Denn gerade auf die Leistungseigenschaften der Zuchttiere hat man im besonderen Maße zu achten. Und dies in zweifacher Hinsicht. Einmal beim Kauf der die spätere Basis bildenden Zuchttiere und während des Beginns der Linienzucht.
Die gesunde Leistungsfähigkeiten ist der Sockel der gesamten Zucht. Uns ist nicht allein an hervorragenden Ausstellungstieren gelegen, sondern auch daran, dass sich in unseren Zuchten nicht mehr und mehr geringere Wurfgrößen, gestörte Fruchtbarkeit, Verluste bei der Aufzucht durch geringe Säugeleistung bei Häsinnen, Charakterschwächen der Tiere und dergleichen bemerkbar machten.
Wer kann das schon alles beim Kauf von Zuchttieren in einer Ausstellung erfassen? Niemand! - Folglich bleibt der Kauf beim Züchter die bessere Alternative.