Rasse des Monats: Jamora Erstellt von Jutta Grünwad
| ||||||||||||||
| ||||||||||||||
Rasse des Monats Februar 2004 - Jamora
Werbepartner
-
-
Heidi bekam die Erlaubnis diesen weiteren Beitrag zu den Jamora - harlekin hier im Forum zu veröffentlichen. Dies war am 05.02.2004.
____________________________________________________________________Ich freue mich, gerade jetzt einen Beitrag vom Zuchtfreund Dr. Bernhard Thimm über den weiten Weg der Herauszüchtung der Jamora ins Forum stellen zu dürfen.
Die Herauszüchtung der Jamora-harlekin-Rasse aus der Sicht der beteiligten Züchter
Von Dr. Bernhard Thimm
Die Erzüchtung einer neuen Kaninchenrasse begann damit, daß ich im Jahre 1980 meinen schulpflichtigen und naturbegeisterten Kindern gerne zeigen wollte, wie die Vererbungsgesetze in der Praxis arbeiten. Sie sollten dies praktische Wissen später im Biologieunterricht oder vielleicht im Beruf einmal anwenden können.Die Planung
Wir setzten uns also zusammen und entwarfen gemeinsam eine neue Rasse, die ein lebendes Wolleknäuel werden sollte, nicht zu schwer, um sie als Spieltier leicht auf dem Arm tragen zu können, vor allem mit langem, weichem Fell und natürlich farbig.
Das lange Fell boten damals nur die weißen Angorakaninchen, farbige, die es vor dem 2. Weltkrieg schon oft gegeben hatte, waren noch nicht wieder vorhanden. Zur Verkleinerung dieser über 4 kg schweren Angorarasse brauchten wir eine Minirasse, am besten auch die farblose Hermelinrasse mit roten Augen, die Farbe und Musterung der Farbverteilung sollte später das aufregend gefärbte Japanerkaninchen bringen.Frisch ans Werk und das Ziel ins Auge gefasst
Nun ging es darum, sich nicht bei der Neuzüchtung im Gengestrüpp zu verheddern: Die Zuchtregel lautete: Immer nur auf ein Merkmal hin kreuzen, dann selektieren.
So entstand im Laufe von 2 Jahren mit 4 Generationen zunächst eine Zwischenrasse: Angora x Hermelin. In der F1 Generation verschwand die rezessiv vererbte Langhaarigkeit zugunsten der dominanten Normalhaarigkeit und alle Jungtiere sahen gleich aus, weiß mit roten Augen. Ihr Gewicht lag bei erwachsenen Tieren wie bei allen multifaktoriellen Leistungen des Körpers (z.B.dem Gewicht, der Milchleistung, der Fruchtbarkeit, der Haarlänge usw.) nach der Formel a + b/ 2 genau in der Mitte zwischen den Gewichten und der Haarlänge und Haardichte der beiden Elterntieren. Sie galt es nun noch etwas durch Selektion zu verkleinern.Zwei Wege sollen zum Ziel führen...
In der F2- Generation lernten die Kinder nun schon, daß die Vererbung bei männlichen und weiblichen Eltern völlig nach den gleichen Regeln verläuft beim Kaninchen und daß nun durch die Bruder X Schwesterkreuzung ( Inzucht) sowohl die Großeltern, wie auch die Eltern wieder bei den Enkeln äußerlich in Erscheinung treten können und, das ist nun sehr wichtig, daß zusätzlich die gewünschte neue Rasse sichtbar werden kann. Wir hatten Glück, schon bei zwei Würfen entstand die erste neue Rasse: weiß, langhaarig mit einem Gewicht von nur 2 kg im Alter von 5 Monaten ( Zuchtreife). Wir nannten sie die Ameline-Rasse. Der erste Schritt war getan. Diese Zwischenrasse galt es nun für 2 weitere Jahre in Wartestellung reinerbig weiter zu züchten und zu erhalten.Neuzucht für Kinder, aber kein Kinderspiel
Zur Entstehung der zweiten Zwischenrasse begannen wir wieder von vorn: Kreuzung eines im Probesprung beim Vorbesitzer als reinerbig sich erwiesenen Japaner-Rammlers mit prächtigen Farben, Streifen und braunen Augen mit einer reinerbigen weißen Hermelinhäsin mit roten Augen. Jetzt wurde es für die Kinder interessant: Alle Jungen der F1 Generation waren hasengrau mit Normalhaar und braunen Augen und nur noch 2,25 kg Gewicht als Erwachsene. Es zeigte sich also, daß zur Ausbildung der Plattenscheckung und der Punktescheckung an den Ohren des Japanerkaninchens immer 2 gleiche Gene ( Allele) von Vater und Mutter gehören. In diesem Fall reichte es aus, die volle Wildfarbigkeit (mit etwas hellerem Bauch und Schwanzunterseite) wieder entstehen zu lassen. Wie würden nun die Jungen in der nächsten ( F2) Generation aussehen?
Bei der nächsten Bruder- x Schwesterkreuzung würden ja 3 Genpaare neu gemischt werden: Die Paare Aa (Farbausbildung und Nicht-farbausbildung), die Paare Bbj ( B als dunkles Gelb und bj als Gelb mit dunklen Streifen oder Punkten der Gelbserie) und des Paares Gg (G als Ganzfarbigkeit und g als Scheckung in Verbindung mit den Genen für Flächenscheckung ( s1, s2) oder Punktscheckung (Kk). Allein die ersten 3 genannten Paare ergeben schon 64 Möglichkeiten der Neukombination der Gene. Dies ist durch ein einfaches Schachbrettmuster der 8 x 8 möglichen Keimträgern (männlichen und weiblichen Gametenmöglichkeiten) leicht zu erklären.In unserem Falle war es deshalb so einfach, weil wir uns ja zum Ziel gesetzt hatten, eine neue Zwischenrasse mit der Werten: leicht (2,0 kg) und japanerfarbig (gelb-schwarz gestreift ) zu züchten. Wir mußten also nur nach Farbe und Gewicht sortieren. Das Haarkleid würde sicherlich ein dichtes Normalhaar sein. Tatsächlich mußte die Zahl der Zuchthäsinnen und Rammler auf 6 bzw. 4 erhöht werden, um die neue Zwischenrasse mit den erwünschten Merkmalen zu finden. Wir gaben ihr den Namen Jameline. Nach insgesamt 2 Jahren und 4 Generationen war auch die Rasse der Jameline genetisch stabilisiert.
Dem Ziel ganz nah?
Nach diesen 2 Jahren wurde es langsam eng mit den Stallbuchten in der Garage und im Garten. Wir sahen uns nach mehr Platz in einem Garten mit Wiese um und fanden sie bei unserem Zuchtfreund Stephan Winkler in Arnegg bei Ulm. Wir waren uns beide klar, daß zur dritten Kreuzung, nämlich der beiden genetisch stabilisierten Zwischenrassen Ameline und Jameline wir wiederum viel Platz und viele Buchten und viel Futter bräuchten. Wieder mußten wir die 64 Kombinationsmöglichkeiten von weiß-Langhaar der Ameline mit japanerfarbig-Normalhaar der Jameline im Kopf haben um in diesem Jahr insgesamt mindestens 300 Jungkaninchen zu züchten. Und alles klappte vorzüglich. Im Mai 1985 saßen plötzlich die beiden ersten Jamoras vor uns im Nest, japanerfarbige Miniangoras. "Ach, da seid ihr ja", sagte ich nur, nahm sie aus dem Nest, streichelte sie und gab sie an Stephan weiter. Ein großes Gefühl der Genugtuung und des Erfolges nach 6 Jahren gezielter Zuchtarbeit überkam uns und wir kosteten es aus. Natürlich wollte auch jedes Kind später die Neuankömmlinge begrüßen und kaum aufhören, die putzigen Kerlchen zu streicheln. Genau so erging es später besonders den Frauen , denen ich die Jungen in die Hand legte, das Kindchenschema des rundlichen, dicht und weich behaarten Köpfchens der jungen Jamorakaninchen ließ sie sofort ins Schmusen und Streicheln verfallen.Zucht und Rasse-Anerkennung sind zwei verschiedene Schuhe
Wenn wir nun gedacht hatten, daß die Anerkennung dieser absolut neuen Kaninchenrasse, ja, wegen ihres Gewichtes von 2,0 kg auch neuen Kaninchenklasse etwas Leichtes sein müsse, sie auch bei der Standardkommission des ZDK anerkannt zu bekommen, so hatten wir uns geirrt. Jetzt begann erst die eigentliche Arbeit der genetischen Stabilisierung, das mindestens 6-malige Ausstellen auf nationalen oder internationalen Kaninchenausstellungen, die Werbung um Zuchtfreunde, damit es mindestens 6 Züchter mit zusammen mindestens 20 ausgestellten Tieren waren, die dem von mir aufgestellten Standard für die Jamorarasse entsprachen.Die verlässlichen Zuchtfreunde
Stephan Winkler war altershalber inzwischen ausgeschieden und Johannes Held aus Blaustein in seine Lücke gesprungen. Bei ihm wuchs nun in neuen Ställen eine große Kolonie von Jamorakaninchen, harlekinfarben heran. Mit diesem Namen wollten wir das Besondere der ineinander fließend übergehenden gelben und schwarzen Farben hervorheben, wobei es gerade nicht um eine schärfere Abgrenzung der Farbstreifen geht. Durch den Zusatz einer Farbbezeichnung wollten wir aber gleichzeitig darauf hindeuten, daß noch viele andere Farben angezüchtet werden können, wenn dies gewollt wäre. Dem Spieltrieb des Menschen ist im Bereich des Hobbys bekanntlich keine Grenze gesetzt. Johannes Held ist es zu verdanken, daß wir keine Lokal- Kreis- oder Nationalschau ausließen, um die neue Rasse bekannt zu machen.Folge der zu zeitigen Inzucht
Wir merkten bald, daß die enge Inzucht auch Nachteile brachte. So war plötzlich bei wenigen Anpaarungen der sog. Pelgerfaktor aufgetreten, eine harmlose Störung der Vitalität, die jedoch wesentlich leichtere Jungtiere hervorbrachte. Wir beschlossen deshalb, mit diesen Elternpaaren nicht weiter zu züchten und eine ganz neue zweite Linie von Jamoras aufzubauen.Um Zeit zu sparen, sollte dies über angekaufte, angeblich reinrassige preisgekrönte Zwergjapanerkaninchen laufen, die wir auf einer der Nationalen Kaninchen-Ausstellungen gekauft hatten. Wie aber schon der erste Probesprung zeigte, vererbten mindestens zwei von 4 Tieren weiße Abzeichen, deren rezessiv vererbten Gene noch aus der Entstehungsgeschichte der Japanerrasse von Holländerkaninchen her stammten.
Mit den verbliebenen 2 Zwergjapanerkaninchen klappte der Aufbau der zweiten Jamoralinie jedoch ganz gut, insbesondere, wenn es um die Übertragung von rezessiven Verstärkergenen der Gelbfaktoren y1, y2 usw. ging. Die erste Jamoralinie war doch etwas zu hell geworden. Inzwischen weiß man, daß diese Weißabzeichen an Kopf, Zehen und Pfoten wahrscheinlich nie ganz zu vermeiden sein werden, und daß gerade diese nicht ausstellungsfähigen Tiere oft die beste Streifung mit den dunkelsten Farben haben. Als Schmusetiere lassen sie sich allemal verkaufen. Auch sollte versucht werden, die gleichzeitig vorkommende Anlage von Platten- und Punktscheckung auf die Plattenscheckung zu reduzieren und die Farben zu verstärken.Für einen weiteren wichtigen Hinweis sind wir auch dem Vorsitzenden des ZDK, Herrn Jakobs, sehr dankbar. Er hatte selbst auch Gefallen an dieser schmucken neuen Rasse gefunden und bat uns, es den Züchtern doch nicht so schwer zu machen. Denn ein Tier mit bis zu 14 cm langen Haaren sauber und unverfilzt zu halten bis zur nächsten Ausstellung, sei doch wohl recht schwierig und würde z.T. auch potente Züchter davon abhalten, einmal zusätzlich zu ihren großen Rassen auch diese kleine Rasse zu halten. Bald fanden wir Häsinnen und Rammler in unserer Kolonie, die kein fortwährendes Längenwachstum der Haare wie die Angorakaninchen hatten. Ihre Nachkommen hören nach dem Scheren bei Haarlängen von 5-6 cm mit dem Haarwachstum auf. Die Anzahl der Vlies stabilisierenden Grannenhaare hat inzwischen zugenommen, Tiere mit zu leichter Filzbildung bei zu feiner Unterwolle wurden inzwischen aus der Zucht genommen.
Am Ziel ist ein Züchter niemals
Die Jamorarasse ist dadurch ausgesprochen pflegeleicht geworden und kann sogar im Freien mit Regenschutz gut gehalten werden.
Durch das frühzeitige aus dem Nest nehmen bei der ersten Nestkontrolle und auch immer wieder später gewöhnen sich die Jungtiere sehr bald an den Menschen und werden sehr zahm. Viele Jamorabesitzerinnen schwärmen davon, mit dem Jamorakaninchen auf dem Schoß sich lange Filme im Fernsehen ansehen zu können, ohne daß das Tier wegspringen will. Es hat allen Anschein, daß diese neue Spiel- und Streichelrasse sogar streichelgewohnte Katzen und kleine Hunderassen von ihrem Stammplatz auf Frauchens Schoß anfängt, zu verdrängen.
Dauerte es vom ersten Auftreten der 2 ersten Jamorajungen bis zur Anerkennung als neue Rasse mit Aufnahme in den Rassekaninchenstandard noch weitere 8 Jahre ( bis 1993), so hat sich die Anzahl der Züchter inzwischen schon auf über 20 erhöht, wir finden sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland, Dänemark und Schweden. Dazu hat besonders das Internet beigetragen, wo allein schon über schöne Bilder erste Freundschaften geschlossen, Tierverkäufe vermittelt und Stammbäume der Zuchttiere ausgetauscht werden. Ein weiterer Höhepunkt war im letzten Jahr die Gründung einer "Interessen-Gemeinschaft Jamora harlekin" in der Nähe von Marburg, Lahn mit dem Elan junger Züchter. Es sieht also alles so aus, als ob aus einer für Kinder gezüchteten Spielrasse noch eine Sportrasse für erwachsene Hobbyzüchter sich entwickelt hätte. Darüber bin ich mit meinen Züchterfreunden froh und dankbar.Anmerkung: Vortrag gehalten am 27.Juli 2003 anläßlich der Gründung der Interessengemeinschaft Jamora harlekin im Vereinsheim des KZV H532 in Niederweimar b. Marburg/ Lahn
Copyright by Dr. B. Thimm
Jetzt mitmachen!
Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!